Donnerstag, 5. August 2010

Living in Utopia - Teil III

Reporter: So jetzt kommen wir zu Herrn Dr. Bleitinger, einen der Architekten, Stadtplaner und "Gesellschaftsplaner" von Utopia.

Herr Dr. Bleitinger, was ist eigentlich ein "Gesellschaftsplaner"?

Bleitinger: Nun diese Bezeichnung hat man mir gegeben, da ich mich mit meinem Team vor allem um die Problematik der Gesellschaftsentwicklung in Utopia gekümmert habe.

Wie wir wissen haben (Wohn)räume - seien es Wohnungen, Häuser oder eben ganze Städte - großen Einfluss auf die Art unseres Zusammenlebens.

Reporter: Gab es da in Utopia besondere Herausforderungen?

Bleitinger: In der Tat! Sehen Sie, schon herkömmliche, moderne Städte tragen zur Vereinsamung der Menschen bei. Natürlich kann man als kontaktfreudiger Mensch auch in einer Großstadt einen guten Freundeskreis aufbauen und pflegen, jedoch Menschen, die auf diesem Gebiet weniger Talent oder Möglichkeiten haben, sei es weil sie viel arbeiten, alt sind oder einfach ein wenig kontaktscheu, können sehr schnell in die Vereinsamung geraten.

In dörflichen Strukturen sind hingegen die Verbindungen enger, man engangiert sich in Vereinen und nimmt Anteil an seinen Mitmenschen. Zugegeben, manchmal schlägt dies auch ins Extrem um, z.B. wenn voreiliger Dorftratsch unaufhaltbar die Runde macht, dennoch gibt es einige positive Elemente, die wir gerne zu einem gewissen Grad in unseren Städten hätten.

In Utopia ist die Situation noch extremer. Aufgrund des Prinzips der kurzen Wege, welches aus energiepolitischer Sicht durchaus sinnvoll ist, werden den Menschen zahlreiche Mittel zur Verfügung gestellt, die es ihnen erlauben, praktisch völlig autark in den eigenen vier Wänden zu leben.

Dem wollten wir entgegen steuern. Natürlich kann man keinen zwingen am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, jedoch wollten wir allen, die es möchten, möglichst reichhaltige Kontaktangebote bieten.

In Utopia ist ja die Besonderheit, dass die meisten Menschen in Hochhäusern leben. Das Hochhaus ersetzt somit dass, was in anderen Städten vielleicht ein Stadtviertel wäre. Daher haben wir bei der Planung in den Hochhäusern im unteren Drittel genau die Dienstleistungen und Angebote vorgesehen, die man normalerweise von seinem Viertel erwarten würde: Vom Friseur bis zum Hausarzt, vom Kindergarten bis zur Sporthalle, vom Tante-Emma-Laden bis zum Seniorenheim sind hier zahlreiche Angebote vertreten, die vornehmlich nur von den jeweiligen Hausbewohnern genutzt werden sollen.

Auf diese Weise wird zwangsläufig schon der Kontakt zwischen den Bewohnern hergestellt, einfach weil man sich regelmäßig bei den verschiedenen Dienstleistern trifft.

Hinzu kommt noch dass jedes Haus einen so genannten "Hausrat" besitzt, also ein Gremium, dass über Belange des Hauses entscheidet und auch für die Planung gemeinsamer Veranstaltungen, wie z.B. Hausfeste zuständig ist. Außerdem wählt jedes Haus für eine Legislaturperiode einen "Haussprecher", der regelmäßig an Sitzungen des Stadtparlaments teilnimmt und dort die Geschicke der Stadt mitbestimmt.

Des weiteren werden auch noch "Hauspartnerschaften" unterstützt, bei denen sich verschiedene Häuser näher kommen.

Reporter: Führt das alles nicht zu einer Ghettoisierung, d.h. jedes Haus steht gegen ein anderes?

Bleitinger: Diese Gefahr besteht durchaus, und ein "gesunder" Konkurrenzkampf zwischen den Häusern ist nicht mal unerwünscht. Was wir jedoch zu verhindern suchten, war "Armen"- und "Reichen"-Häuser zu schaffen, d.h. also zu verhindern, dass sich in einem Haus nur Ärzte und in einem anderen vielleicht nur Arbeiter befinden.

Dies haben wir dadurch erreicht, dass die Vergabe der Wohnräume einerseits nach dem Zufallsprinzip geschieht, andererseits jedes Haus eine Preisspanne von ganz billig bis ganz teuer abdeckt.

Somit gibt es dann zwar ein soziales Gefälle innerhalb eines Hauses, jedoch sind die Gruppierungen zu klein, um eine Ghettoisierung aufkommen zu lassen.

Ganz ohne Hierarchien wird es jedoch nicht gehen, da die Menschen einfach zu unterschiedlich sind. Wir können jedoch vermeiden, dass sich manche Gruppen ausgegrenzt fühlen oder "jenseits" der Gesellschaft leben.

Unterstützt wird dies auch durch die Architektur, sowie die Planung der ganzen Stadt. So haben wir zahlreiche grüne Oasen vorgesehen, und Freiräume, Ruheräume und organische Formen verwirklicht.

Es war uns jedenfalls wichtig, dass sich auch der Bewohner der billigsten Wohnung gut untergebracht fühlt und sich nicht abgeschoben vorkommt.

Reporter: Darauf wollte ich Sie gerade ansprechen. Sie haben hier in Utopia eine ganz eigene Form der "organischen Architektur" verwirklicht.

Bleitinger: Ja, das stimmt.

Ich sage immer unsere Architektur ist zwar nicht im Stile Hundertwassers, sehr wohl aber in seinem Geiste.

Das Grundkonzept von Utopia ist eine Vernetzung von Lebensraum, Ökologie und Ökonomie. Da darf die Architektur nicht unbeteiligt daneben stehen. Die Häuser sollten einerseits allen modernen Anforderungen an ökologischer Bauweise - insbesondere im Hinblick auf die Energiebilanz - genügen, andererseits ein anregender und angenehmer Wohnraum sein. Unserer Ansicht nach erreicht man jedoch den "Wohlfühl-Faktor" nicht mit kantigen Glasfassaden und Stahlbeton. Solche Bauten strahlen Nüchternheit und Kälte aus. Man denke nur an die Monotonie der Plattenbauten. Bei Bürogebäuden kommt häufig noch eine Demonstration der Macht durch Größe hinzu. Dies hat schon fast etwas aggressives.

Unser Anspruch war es jedoch nicht nur nackten Wohnraum, sondern Lebensraum mit "Wohlfühl"-Charakter zu schaffen (Hochhäuser der neuen Generation). Bei Utopia kam erschwerend hinzu, dass der Großteil der Stadt als eine Ansammlung von Hochhäusern realisiert werden sollte, um möglichst vielen Menschen auf vergleichsweise geringem Platz Wohnraum zu bieten und einen überdurchschnittlichen Freiraum für Parkanlagen etc. zu haben.

Somit mussten wir ganz neue Konzepte erarbeiten, um den verschiedenen Ansprüchen gerecht zu werden. Die organischen Formen unserer Häuser ergaben sich sozusagen zwingend, da wir verhindern wollten, dass sich die Bewohner in einem monotonen "Hochhauswald" wiederfanden.

Die jetzige Lösung integriert meiner Meinung nach sehr gut die zahlreichen Hochhäuser in das Gesamtkonzept der Stadt: Die ausladenden Grünflächen werden von den individuellen Hochhäusern durchbrochen, wobei ein Teil der Natur durch Fassadenbepflanzungen und entsprechende Werkstoffe wie Holz in den Hauswänden aufgegriffen und in Variationen wiedergegeben wird (Grüne Hochhäuser). Dadurch hat man fast das Gefühl in einer Alpenlandschaft zu stehen und fühlt sich nich in einer Stadt voller Hochhäuser. Zusätzlich sorgen Balkons - auch in großer Höhe - und überspannende Verbindungsbrücken zwischen den Häusern für eine weitere Auflockerung des Bildes.

Reporter: Sie haben auch Wasser sehr intensiv eingesetzt.

Bleitinger: Das ist richtig. Wasser ist allein durch seine ewige Bewegung ein faszinierendes Element. Es kann feste Strukturen auflockern und aufbrechen. So gesehen ist es ähnlich wie Feuer. Man kann in einen offenen Kamin genauso stundenlang fasziniert starren ohne gelangweilt zu sein, wie in die Meeresbrandung. Diese entspannenden Effekte des Wassers haben wir uns zu Nutze gemacht. Außerdem wurde das Wasser eingesetzt um das Mikroklima der Stadt zu stabilisieren, da es ein ausgezeichneter Wärmespeicher und -Puffer ist. Im Sommer kühlen wir z.B. die Südfassaden mit darüber strömendem Wasser (und gewinnen dadurch auch noch Warmwasser).

Architektonisch haben wir auch nicht davor zurück geschreckt von manchen Hochhäusern spektakuläre Wasserfälle herab fließen zu lassen. Eigentlich hat man von fast jedem Punkt in der Stadt einen Blick auf irgendein Wasserspiel: Von ganz kleinen Wasserspielen, manche eben spektakuläre Wasser-Arrangements.

Das ganze fügt sich dann fließend in die Grünflächen ein, die ja auch keine kurz geschnittenen, englischen Rasen und Rechtwinklige Hecken sind, sondern Landschaftsarrangements nach dem Vorbild japanischer Gärten.

Auch hier war es wichtig, sowohl Rückzugs- und Erholungsgebiete, als auch Räume für gesellschaftliche Anlässe, wie z.B. Grillfeste oder Geburtstagsfeiern vorzusehen. Somit macht der grüne Lebensraum außerhalb der Hochhäuser mindestens 50% des Gesamtkonzepts aus.

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