Mittwoch, 4. August 2010

Living in Utopia - Teil II

Reporter: Nun nach diesem ausführlichen Gespräch mit Herrn Schulte, haben wir uns nun mit Herrn Dr. Leichtwiesner getroffen. Herr Leichtwiesner ist einer der Ingenieure, der für die Energieversorgung in Utopia verantwortlich ist. Herr Leichtwiesner stimmt es dass Utopia seine gesamte Energie selbst herstellt?

Leichtwiesner: Ja das ist richtig. Utopia verfügt über einen ausgeklügelten Energiemix. Sämtliche Häuserdächer und -fassaden sind mit Solarzellen eingedeckt, außerdem verfügt Utopia über einen eigenen Windpark auf den umliegenden Bergen, weiterhin haben wir mehrere Geothermie-Kraftwerke und erzeugen aus unseren Bio- und Kläranlagenabfällen Biogas.

Reporter: Und das reicht um den gesamten Strombedarf der Stadt zu decken?

Leichtwiesner: Nun, es reicht für 99,9% aller Fälle. Sorgen machen uns nur die 5-6 Spitzenlasten pro Jahr die auftreten, wenn viele Bewohner synchron viel Energie verbrauchen.

Reporter: Zum Beispiel bei einem WM-Finale?

Leichtwiesner: Ja, zum Beispiel wenn während einer großen Sportveranstaltung alle gleichzeitig ihren Fernseher einschalten.

Reporter: Und warum ist das ein Problem?

Leichtwiesner: Nun unsere Energieversorgung ist bewusst so ausgelegt, dass wir im Normalbetrieb alle Schwankungen abpuffern können. Will man aber auch die Leistungsspitzen abfangen, so muss man viel größere Pufferkapazitäten vorhalten, die jedoch das meiste Jahr unnütz sind. Das ist weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll.

Reporter: Und wie haben Sie das Problem gelöst?

Leichtwiesner: Nun durch die Kombination verschiedener Maßnahmen. Die Wichtigste ist jedoch das Prinzip der "Energiekanalisierung". Im Grunde ist das ähnlich wie beim menschlichen Körper: Wenn der Körper Energie zum Wegrennen braucht, schüttet er Signalstoffe aus, so dass z.B. alle Energie in die Muskeln geliefert wird und keine Energie für die Verdauung mehr zur Verfügung steht.

Ganz ähnlich machen wir es: Da diese "Mega-Spitzen" glücklicherweise meistens absehbar sind - wie z.B. ein WM-Finale mit Deutscher Beteiligung - werden schon langsfristig vorher andere Verbaucher zurückgefahren. So fuhren bei den Deutschland-Spielen nur ein Zehntel der normalen ÖPNV-Kabinen.

Reporter: Doch was machen Sie bei unvorhergesehenen "Mega-Spitzen"?

Leichtwiesner: Nun dann müssen wir mit radikalen Maßnahmen reagieren, d.h. z.B. die Beleuchtung in der Stadt um 50% herunterfahren oder die Akkus der Elektrofahrzeuge anzapfen. Für kurzzeitige Megaspitzen können wir auch noch die normalen Energie-Puffer "überstrapazieren".

So besitzt jedes Hochhaus mehrere große Wasserspeicher für Trink- und Brauchwasser in den oberen Dachgeschossen. Diese Tanks werden zu Zeiten gefüllt, wenn genug Energie da ist und versorgen das Haus mit Wasser. Zusätzlich können diese Tanks bei Bedarf über Turbinen entleert werden. Im Grunde also das Prinzip vieler dezentraler Speicherkraftwerke, von denen wir übrigens noch ein Richtiges unweit von Utopia besitzen.

Normalerweise werden die Tanks nie vollständig entleert, jedoch einmal wurden wir von einer Spitze überrascht und daraufhin mussten wir die Tanks so stark leeren, das für eine Stunde keine Toilettenspülung in der Hälfte der Hochhäuser mehr funktionierte.

Inwzischen haben wir unsere Biogastanks erweitert und können nun ähnliche Spitzen mit Hilfe unseres neuen Gasturbinenkraftwerks abfangen.

Voraussetzung für dies alles ist jedoch ein gutes Stromnetz. Denn im Normalbetrieb sind wir ja auf eine möglichst dezentrale Energieerzeugung eingestellt, dass heißt jedes Hochhaus soll nach Möglichkeit seinen eigenen Strom produzieren. Die genannten Umverteilungen stehen dem diametral entgegen, man darf daher nicht den Fehler machen, das Stromnetz zu leistungsschwach zu planen.

Reporter: Aber Sie sparen auch viel Energie!

Leichtwiesner: Ja, absolut! Die drei Säulen der Energieversorgung in Utopia sind Energiesparen, intelligente Energievernetzung und ökologischen Energieerzeugung.

Dem Energiesparen kommt dabei bewusst die Schlüsselrolle zu. Das beginnt mit intelligenten Klimasystemen in den Hochhäusern - wir arbeiten sowohl mit Wärmerückgewinnung als auch mit Erdwärmeüberträgern und -pumpen - und endet bei dem Prinzip der kurzen Wege, welches Ihnen Herr Schulte ja schon erklärt hat.

Ich bin jedenfalls stolz, dass alle Hochhäuser "Null-Energie"-Häuser und manche sogar "Plus-Energie"-Häuser sind.

Eine andere Maßnahme ist z.B. die Lichtversorgung in den Gebäuden, die tagsüber fast ausschließlich mittels Glasfaserleitern erfolgt. Damit wird das natürliche Sonnenlicht, welches auf den Dächern mittels Kollektoren gesammelt wird, in alle Teile des Gebäudes geleitet (Tageslichtsysteme).

Oder nehmen Sie z.B. unseren Umgang mit Wind und Luftströmungen. Wir nutzen z.B. aufsteigende warme Luft mittels Kamineffekten zur Stromgewinnung und Kühlung der Gebäude. Oder ein anderes Beispiel: Es wurde darauf geachtet, dass durch einfache Veränderungen von "Panels" an der Fassadenwand z.B. die Luftströmungen um die Hochhäuser herum kontrolliert werden können. So können wir an heißen Sommertagen eine leichte Brise durch die Parkanlagen wehen lassen, während starke Winterstürme "gebrochen", verwirbelt und umgelenkt werden, so dass im Bodenbereich fast absolute Windstille herrscht.

Weiterhin unterstützen wir natürlich auch die Anschaffung von energiesparenden Geräten und Einrichtungen. So sind alle Wohnungen Utopias so eingerichtet, dass beim Verlassen der Wohnung und nachts alle Verbraucher (bis auf die Kühlschränke) abgeschaltet werden. Sie kennen das Prinzip vielleicht von modernen Hotels, wo man mit der Zugangskarte gleichzeitig den Strom für das Zimmer aktiviert.

Natürlich geht das alles nur mit Bürgern, die sich ihrer ökologischen Verantwortung bewusst sind.

Reporter: Und die haben Sie?

Leichtwiesner: Anfangs nicht überall, doch inzwischen eigentlich alle. Der Grund dafür liegt in der Organisation der Hochhäuser: Jedes Haus stellt einen eigenen kleinen Mikrokosmos dar, ähnlich wie ein eigenes Dorf. So dass in Utopia - obwohl die Stadt über eine Million Einwohner verfügt - jeder Bewohner ein beinahe dörfliches Zugehörigkeitsgefühl entwickelt. In solch einem engen sozialen Gefüge ist natürlich auch der gesellschaftliche Druck höher als es in einer anonymen Großstadt der Fall wäre. Die einzelnen Hochhäuser kämpfen daher regelmäßig darum, wer am meisten Energie spart und am ökologischsten wirtschaftet. Gefördert wird dies nicht zuletzt auch durch entsprechende Preise, die die Stadtwerke dem effizientesten Haus ausloben.

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